Was macht Hochsensibilität aus?

Du möchtest mehr über (Deine) Hochsensiblität erfahren? Auf der Startseite findest Du eine Definition sowie eine Zusammenstellung von Vor- und Nachteilen der ausgeprägten Sensibilität. Dort wird deutlich, dass hochsensible Menschen Reize stärker wahrnehmen als der Durchschnitt der Bevölkerung und sie auch in besonderer Weise verarbeiten. Im Folgenden führt Lea Loeschmann ergänzend einige typische Herausforderungen hochsensibler Menschen auf (aus dem Buch „Mein HSP-Coach*„):

  • Reizüberflutung: Je stärker die Sensibilität eines Menschen ist, desto durchlässiger für Reize sind die Filter im Gehirn. Normalerweise blendet das Gehirn alle möglichen Reize aus dem Körperinneren und der Umwelt aus, die zur Ausführung einer geplanten Handlung nicht notwendig sind. Viele Vorgänge bleiben zu recht unbewusst. Es würde uns sehr verwirren, wenn wir wüssten, was unser Verdauungssystem gerade macht, während wir beispielsweise Auto fahren. Wie sich unsere Hände und Füße, Augen und Ohren verknüpfen, um diese komplexe Handlung Autofahren auszuführen. Je feinfühliger wir sind, umso anstrengender ist es, Wahrnehmungen auszublenden. Geräusche, Bilder oder Gerüche dringen ins Bewusstsein, die uns ablenken können.  Ein Radfahrer, der unserem Auto zu nahe kommt, kann schweißnasse Hände und einen Adrenalinschub auslösen. Hochsensible Menschen müssen sich bei allem mehr konzentrieren.
  • Perfektionismus: Hochsensible haben oft einen hohen Selbstanspruch bis hin zum Perfektionismus. Oft fangen sie Projekte gar nicht erst an, weil sie es schwierig finden, die Dinge nicht sofort zu können.
  • Finden der Berufung: Oft erlebe ich auch, dass eine Unsicherheit herrscht, welche der vielen Interessen oder Begabungen als Lebensgrundlage dienen könnten. Ich treffe dabei auf künstlerisches Talent, heilerische Begabungen, Fähigkeiten im Tanz oder im Schreiben.
  • Hohe moralische Ansprüche: Viele haben extrem hohe moralische Ansprüche an sich selbst und die Anderen. Egal ob Rücksichtnahme, Pünktlichkeit, Fleiß, Einfühlungsvermögen oder Verbindlichkeit: Hochsensible erwarten, dass diese Punkte selbstverständlich sind. Sie sind schnell betroffen, wenn andere dies nicht so handhaben.
  • Finden von Auszeiten: Viele Hochsensible haben Mühe, auch einmal Pausen zu machen. Gerade die großen Anstrengungen bei der Konzentration erfordern Muße und Ausruhen.
  • Priorisieren: Hochsensiblen fällt es oft schwer, abzuwägen. Jede Kleinigkeit scheint gleich wichtig. Jede Aufregung gleich riesig. Jedes Anliegen will sofortige Aufmerksamkeit.
  • Umgang mit schwierigen Gefühlen: Durch die hohe Intensität der Gefühle können selbst „gute“ Gefühle kaum zu ertragen sein. Verliebtheit zum Beispiel oder die Intensität einer geliebten Musik. Traurigkeit kann sich anfühlen wie tiefe, pechschwarze Depression. Scham wie ein heißes Brennen, Wut, Eifersucht, Neid oder Verzweiflung geradezu unerträglich sein. Viele Hochsensible suchen therapeutische bzw. psychiatrische Hilfe. Dabei werden sie oft mit einer Diagnose abgestempelt, die zwar zunächst Erleichterung verschafft, jedoch nicht hilft, den Umgang mit dieser Intensität zu erlernen. Normalerweise verspricht die Verdrängung von Gefühlen eine gewisse Erleichterung. Dies hilft jedoch bei HSP kaum. Die Filter sind zu durchlässig. Die verdrängten Gefühle und Bilder drängen immer wieder ins Bewusstsein. Es erfordert unglaublich viel Anstrengung, diese Inhalte in Schach zu halten. Dr. Elaine Aron* empfiehlt daher den Hochsensiblen sich mit Traumata aus der Kindheit oder auch späteren bewusst auseinanderzusetzen. Die Arbeit, sich mit therapeutischer Hilfe solchen Themen zuzuwenden, ist zwar auch anstrengend, jedoch lebt es sich leichter, wenn man die verdrängten Gefühle kennengelernt hat, integrieren kann und sich vor den letztlich eigenen Gefühlen nicht mehr bedroht fühlen muss.
  • Abgrenzung: Die Spiegelneuronen sind bei Hochsensiblen sehr ausgeprägt. Alle Menschen sind über die Spiegelneuronen* zu Mitgefühl fähig. Man kann jedoch dieses Mitgefühl mit dem Verstand ausblenden. Hochsensiblen gelingt das weniger gut. Sie nehmen in anderen Stimmungen wahr, ob sie wollen oder nicht. Schwierig ist das vor allem bei solchen Gefühlen, die sie selbst unterdrücken, weil sie kein Vertrauen zu ihnen haben. Wenn ich meine Wut unterdrücke, dann kann es unendlich kompliziert werden die Wut in jemand anderem wahrzunehmen. Manche Hochsensible tun dann alles, um den Menschen von seiner Wut abzulenken oder sie versuchen sie auszublenden oder sie laufen weg. Es ist eine wunderbare Eigenschaft von Menschen, Mitgefühl zu haben. Und zunächst brauchen wir es für uns selbst, um unsere eigene Wut anzunehmen, kennenzulernen und uns nicht mehr vor ihr verstecken zu müssen. Dann können wir Mitgefühl mit wütenden Menschen entwickeln. Und je mehr Menschen Mitgefühl mit sich selbst und den Anderen haben, umso friedvoller wird unsere Welt.
  • Ausgeprägte Scham: Ein zentrales Thema vieler Hochsensibler ist die Scham. Wenn wir als Kinder in unseren Bedürfnissen nicht wahrgenommen und nicht angemessen gespiegelt werden, vertrauen wir unseren eigenen Gefühlen nicht mehr. Mit unseren hochleistungsfähigen Spiegelneuronen scannen wir die Menschen um uns herum und versuchen genau das zu tun, was die Anderen von uns wollen oder erwarten. Wenn eine Mutter nicht ertragen kann, dass ihr Kind weint und das Kind zum Lachen bringt, verlernt das Kind das Vertrauen in die eigene Traurigkeit. Es schämt sich. Und es versucht jetzt für die Mutter zu Lachen, obwohl ihm zum Heulen zumute ist. Es trägt eine Maske und bildet für die Mutter ein falsches Selbst aus. Jetzt wird es immer wieder schauen, was die anderen von ihm erwarten, es wird sich immer mehr schämen, weil es sich eigentlich falsch fühlt. Es lebt nicht mehr authentisch. Co-abhängige Beziehungen sind oft die Folge, man versucht sich immer daran zu orientieren, was der Partner oder die Partnerin will.
  • Hergebrachte Rollenbilder: Hochsensible Männer haben zudem die Herausforderung, dass viele sensible Themen in der klassischen Männerwelt oft schlichtweg abgelehnt werden. Sensibilität, Verletzt-sein, Mitgefühl oder Tränen gesteht man in unserer Gesellschaft noch immer eher Frauen zu. Man kann im Grunde sagen, dass die meisten typisch hochsensiblen Fähigkeiten eher dem weiblichen, dem Yin, zugeordnet werden, beispielsweise: Weichheit, Nachgiebigkeit und Empathie. Und die Normalwahrnehmenden eher dem männlichen, dem Yang: Aktivität, Stärke und Härte. Dabei sind diese Eigenschaften jeweils in beiden Geschlechtern mehr oder weniger ausgeprägt. Wenn wir bereit sind, uns auf diese Gefühle einzulassen, erfolgen sie ganz natürlich im Wechsel. Tag folgt auf Nacht und Nacht auf Tag. Sowohl Frauen als Männer sind mal aktiv und stark und dann wieder verletzlich und schwach. Es ist unser eigenes Vertrauen in die unterschiedlichen Qualitäten, welches den Unterschied ausmacht.

So erkennst Du Deine Hochsensibilität

Die Feststellung der eigenen Hochsensibilität ist ein schwer zugänglicher Bereich. Anders als ein gebrochenes Bein, lässt sich eine besondere Sensibilität nicht an gleichermaßen skalierten Merkmalen festmachen. Es ist nicht ohne weiteres erkennbar, ob die Wahrnehmung von Sinneseindrücken bei der einen Person besonders intensiv ist und bei einer anderen nicht. Die Beschreibung der eigenen Sensibilität ist höchst subjektiv. Zur Bestimmung der Hochsensibilität bräuchte es jedenfalls ein Verfahren, welches eine belastbare Vergleichbarkeit gewährleistet. Dabei können die geschilderten Wahrnehmungen der Person ein geeigneter Einstieg sein, ebenso wie die Auswertung verschiedener Tests. Es müsste sich jedoch eine vertiefende Auseinandersetzung  mit der Person anschließen.

Ob die vielen verschiedenen Tests zur Hochsensibilität nun wissenschaftlich sind oder nicht: Sie sprechen jedenfalls die verschiedenen Facetten an, die bei einer Hochsensibilität beleuchtet werden können. Bei der Betrachtung der eigenen Sensibilität können sie eine Hilfe sein und den Blick auf relevante Bereiche lenken. Die erreichte Punktzahl ist dann eher zweitrangig. Die Tür zur vertiefenden Auseinandersetzung mit der eigenen Person ist mit dem Beleuchten der verschiedenen Bereiche geöffnet. Ein Test, der bei der  Feststellung der Hochsensibilität helfen kann, findet sich auf der Startseite.

Auch Petra Tomschi betont, dass die Feststellung der Hochsensibilität – insbesondere für die Arbeit an einem bestimmten Thema – zweitrangig sein kann: „Es ist mitunter gar nicht so wichtig, sicher zu wissen, ob jemand hochsensibel ist oder nicht oder sich nur dafür hält: Die Person kommt wegen ihrer Schwierigkeiten, die sie hat, weil sie hochsensibel ist oder aus anderen Gründen. Die Schwierigkeiten sind das Zentrale, die Tatsache, dass man hochsensibel ist, mag mit dafür verantwortlich sein, doch das allein zu wissen, löst noch nichts. Da Hochsensibilität keine Krankheit ist, die mit einer bestimmten Therapie oder einem Medikament behandelt werden muss/kann, ist es auch nicht entscheidend, Sicherheit zu haben“.

Dass sich für den Hochsensiblen selbst aus der Erkenntnis trotzdem eine erleichternde Offenbarung ergeben kann, die mitunter allein schon Auswirkungen auf das weitere Leben hat, beschreibt Lea Loeschmann: „Und dennoch habe ich die Erfahrung gemacht, dass viele Hochsensible zunächst einmal nur eine Bestätigung brauchen. Bin ich wirklich hochsensibel? Oft reicht schon diese Information, um sich selbst nicht mehr so fremd zu fühlen. Zu wissen, dass sie sich nicht an die geltenden „Werte“ anpassen müssen. Dass sie nicht optimal, flexibel, mobil und belastbar sein müssen. Oder sie können leichter annehmen, dass sie selbst zwar belastbar sein können, dann aber eben mehr Selbstregulation benötigen. Viele Hochsensible profitieren von grundlegenden Informationen über ihre besonderen Befindlichkeiten und können dann ihren eigenen Weg sehr gut allein finden. Große Erleichterung gibt es beispielsweise, wenn man erkennt, dass die nicht so Sensiblen nicht aus Bosheit so sind, wie sie sind. Manchmal erleben wir es als Gemeinheit, wenn wir uns mehr einlassen und unser Gegenüber unberührt oder viel weniger berührt zu sein scheint als wir. Es kommt uns grob vor, wenn der Andere Situationen auf die leichte Schulter nimmt, die uns sehr bedrücken. Aber zu erkennen, dass der Andere eine andere Realität wahrnimmt, macht dann den Unterschied. Es macht einen Unterschied, wenn wir wissen, dass wir für die meisten anderen Menschen tatsächlich etwas seltsam wirken. Wenn wir z.B. Dinge oder Stimmungen wahrnehmen, die sie selbst nicht wahrnehmen können. Dass wir gestresst sind bei Gelegenheiten, in denen sich andere wohlfühlen.“

Lore Sülwald schildert den Weg zur Gewissheit über die eigene Hochsensibilität und die anschließende Erleichterung aus eigenem Erleben wie folgt: „Das Wort hochsensibel impliziert alle Schwächen, mit denen wir sehr gut in Kontakt sind. Vor der Erkenntnis wollen wir jedoch nicht hochsensibel sein, wir wollen nicht als Mimose wahrgenommen werden. Ich habe seit meiner Kindheit gehört: „Das nimmst Du einfach zu ernst.“, „Das darfst du nicht so persönlich nehmen.“, „Jetzt sei doch nicht so empfindlich.“ Plötzlich soll man das sein, was man doch gleichzeitig nicht sein soll? Dieser innere Konflikt und bei mir persönlich das Gefühl nicht belastbar und leistungsstark zu sein, hinderten mich am Erkenntnisgewinn. Als ich dann anfing „Zart besaitet“ von Georg Parlow lesen, war es eine regelrechte Offenbarung für mich. Endlich schrieb da jemand auf, wie ich mich die ganze Zeit gefühlt hatte. Und das Beste daran war, dass es noch mehr von meiner Sorte gab. Die wichtigste Erkenntnis dieses Buches war für mich, dass ich anders bin und dass die anderen mich gar nicht verstehen können. Ich hatte mich all die Jahre geirrt, wenn ich mir einbildete: Die wollen mich nicht verstehen! Und die zweite, nicht weniger wichtige Erkenntnis war: Ich bin so konstituiert und ich kann das nicht ändern. Es ist nicht möglich weniger sensibel zu sein, es ist auch nicht möglich auf weniger Kleinigkeiten zu achten oder weniger wahrzunehmen“.

Fühlst Du Dich auch „Schon immer anders“ ?

 

Schon immer anders - Buch„Ich habe alle Tests gemacht, die ich finden konnte. Alle.“
Hochsensible beschreiben wie sie sich und ihr „Anderssein“ erkannten und erleb(t)en.

„Ich hätte weinen können, so erlöst war ich. Ich bin ja völlig normal!“
Sie lassen den Leser teilhaben an ihrem Alltag und ihrem Umgang mit der Hochsensibiltät.

„Die Welt wird nicht so, wie ich sie brauche.“
„Ich möchte nicht tauschen, denn es ist eine Gabe.“
„Lehne Dich an Deine Grenzen und sie werden sich weiten.“

 

Viele hochsensible Personen eint das Gefühl „anders“ zu sein. In diesem Buch* kommen sie zu Wort.

 

 

„Es war ein Genuss das Buch zu lesen. Die Erleichterung zu spüren, dass man nicht komisch, kompliziert und schwierig ist, dass es vielen anderen Menschen in gewissen Situationen ähnlich ergeht, war ein Geschenk! Ich befinde mich zur Zeit noch ein wenig im „Umbruch“, Dein Buch macht mir Mut weiter in die richtige Richtung zu gehen. Es hat mir die Augen geöffnet, wie ich unvermeidbare Alltagssituationen erträglicher gestalten kann und mich in meiner Entscheidung bestärkt, mich von Menschen zu distanzieren, die mir nicht gut tun. Endlich mal kein wissenschaftlicher, theoretischer Ratgeber… absolut empfehlenswert!!“

Andrea (aus der Facebook-Gruppe „Hochsensibilität“)